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Lieblingsgedichte

Für mich gibt es vier Gedichte, die mich immer wieder neu faszinieren wenn ich sie lese. Ich entdecke immer eine andere Stimmung darin. Vielleicht geht es Dir ähnlich und auch Du hast Deine Lieblingsgedichte.

Hier meine vier Lieblingsgedichte:



Der Panther


Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

so müd geworden, dass er nichts mehr hält.

Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

in der betäubt ein grosser Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,

geht durch der Glieder angespannte Stille –

und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke (1903)

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Was es ist


Es ist Unsinn

sagt die Vernunft

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Es ist Unglück

sagt die Berechnung

Es ist nichts als Schmerz

sagt die Angst

Es ist aussichtslos

sagt die Einsicht

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Es ist lächerlich

sagt der Stolz

Es ist leichtsinnig

sagt die Vorsicht

Es ist unmöglich

sagt die Erfahrung

Es ist was es ist

sagt die Liebe

Erich Fried

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Nur zwei Dinge


Durch so viel Form geschritten,

durch Ich und Wir und Du,

doch alles blieb erlitten

durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.

Dir wurde erst spät bewußt,

es gibt nur eines: ertrage

– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –

dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,

was alles erblühte, verblich,

es gibt nur zwei Dinge: die Leere

und das gezeichnete Ich.

Gottfried Benn

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Geh nicht gelassen in die gute Nacht

Geh nicht gelassen in die gute Nacht,
Brenn, Alter, rase, wenn die Dämmerung lauert;
Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.

Weil keinen Funken je ihr Wort erbracht,
Weise – gewiss, dass Dunkel rechtens dauert-,
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.

Wer seines schwachen Tuns rühmt künftige Pracht
Im Sinken, hätt nur grünes Blühn gedauert,
Im Sterbelicht bist doppelt zornentfacht.

Wer jagt und preist der fliehenden Sonne Macht
Und lernt zu spät, dass er nur sie betrauert,
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.

Wer todesnah erkennt im blinden Schacht,
Das Auge blind noch blitzt und froh erschauert,
Im Sterbelicht ist doppelt zornentfacht.

Und du mein Vater dort auf der Todeswacht,
Fluch segne mich, von Tränenwut vermauert.
Geh nicht gelassen in die gute Nacht.
Im Sterbelicht ist doppelt zornentfacht.

DYLAN THOMAS

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