Joker
RottnRoll Hund & Katz

Die endliche Zeit mit einem Freund

In jeder Lebensphase kommen Situationen, in denen wir mit dem Endgültigen, dem Unvermeidlichen konfrontiert werden.
Die Gewissheit des Todes – die Einsicht dass wir und alle die wir lieben sterblich sind.
In unserer Gesellschaft verdrängen wir so oft diesen Gedanken, weshalb es uns dann um so unvorbereiteter trifft, wenn wir damit konfrontiert werden.

Gestern wurde mir mitgeteilt, dass mein Freund, mein engster Begleiter sterben wird. Das Wesen das mich immer begleitet hat, durch die verrücktesten Situationen meines Lebens und stets an meiner Seite war. Ein Freund der mich stets so genommen hat wie ich bin. Ein Freund dem egal ist was ich bin oder sein wollte. Mein Hund Joker.

Jokerly

Die Worte der Ärzte, die gesamte Situation, erlebte ich in diesem Moment wie ein Außenstehender, als sei ich Beobachter eines schlechten Films.
Diagnose: Lymphdrüsenkrebs
Die Konsequenzen sind unausweichlich und so sehr mein Gehirn damit zu tun hatte um zu sortieren und zu analysieren was man machen könnte, war mein Verstand damit beschäftigt zu akzeptieren – es ist vorbei. Ich kann nichts tun für meinen treuen Begleiter.
Ich denke es ist genau diese Disharmonie die mich überfordert. Der Gedanke immer auf alles eine Lösung zu finden und eine Situation zu retten, eine „kaputte Sache“ doch irgendwie reparieren zu müssen.
Gleichzeitig tief in sich drin akzeptieren zu müssen, es ist vorbei und es gibt nichts was ich ändern kann.

Mein treuester Freund und Begleiter, der seinen Kopf auf meine Knie legte wenns mir schlecht ging, mir seinen Ball brachte wenn er spürte dass ich traurig bin, hat nur noch so wenig Zeit.
Vielleicht 3 Monate, vielleicht einige Woche, vielleicht auch nur ein paar Tage.
Ich kann nur hilflos vor ihm sitzen und ihm zureden und streicheln, einfach nur da sein – mehr nicht.

Ich habe mich gefragt ob es nun ein Vorteil ist, zu wissen dass der Tod unmittelbar bevor steht.
Zu wissen wie kostbar die letzte verbleibende Zeit noch ist.
Die wenigen Tage, jede Stunde, in dem Gewissen diese noch irgendwie besser als jede andere Zeit zu nutzen.
Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?

Während ich diese Zeilen schreibe blicke ich in seine braunen Augen, die mir ganz tief in die Seele blicken und zu mir sprechen.
Als würde er sagen, es ist o.k. alter Freund.
Mein Kopf voller Bilder und Eindrücke der letzten Jahre die wir zusammen verbracht haben. Der wilden, lustigen und schönen Momente, wie Werbespots laufen diese Bilder durch meinen Kopf. Ich bin dabei so unendlich traurig obwohl ich mich doch freuen sollte über die 7 Jahre die wir zusammen verbringen durften. Jeder Tag war ein Geschenk und irgendwie wird mir das heute umso mehr und härter bewusst wo nur noch so wenige bleiben.

Mein Verstand ist in endlose Traurigkeit gehüllt, einfach in dem Wissen dass sich unsere Wege unvermeidlich trennen werden.
Dass er irgendwann nicht mehr an meiner Seite ist und nicht mehr seinen Kopf auf meine Knie legt um mich zu trösten.
Ich erinnere mich an unsere endlosen Spaziergänge auf denen ich die Zeit genoss ihm alles zu erzählte was mich so bewegte. Er wurde nie müde mir zuzuhören und mir nah zu sein.
Ich erinnere mich wie wir durch die Natur rannten und uns freuten an all dem Schönen und die Ruhe am Bach genossen. Diese Spaziergänge wird es jetzt wohl nicht mehr geben.
Zu schwach ist mein Begleiter die Kraft verloren und so sehr es auch wollte mich zu begleiten wird er es nicht mehr schaffen.

Wenig andere, ob Mensch ob Tier, wussten so viel über mich wie er.
Das macht ihn zu meinen engsten Vertrauten – mein Freund Joker.

Die Ärzte stellte mich vor die Wahl zu entscheiden, wie es weitergeht. Soll die Krankheit, der Krebs in ihm bekämpft werden durch Chemotherapie, oder soll sein Ende sanft begleitet werden.
Ich schaute meinem Freund an und ich wusste impulsartig genau was zu tun ist.
So wie er unermüdlich darauf bedacht war mich zu Beschützen vor Leid und Schmerz, so ist es nun meine Aufgabe ihn zu beschützen.
Ich habe mich gegen die Chemotherapie entschieden.
Dagegen seine letzte, so kurze und kostbare Zeit mit zusätzlichen Leid und Schmerzen zu belasten, in der Hoffnung auf einen mehr als zweifelhaften Sieg über den Krebs.
Zu oft habe ich das im menschlichen Umfeld erleben müssen, dass man außer Leid und Schmerz nichts gewinnt.
Ich will die letzten Tage und Wochen mit ihm in Würde verbringen. Mit der gleichen Achtung die auch er mir immer entgegen gebracht hat. Leider bleibt diese Option vielen Menschen verwehrt.

So stehe ich wieder vor der Frage ob es nun gut ist zu wissen dass das Ende nah ist. Damit konfrontiert zu sein dass die Unendlichkeit nur eine trügerische Illusion ist.
Die Auseinandersetzung mit dem Gedanken dass der Tod das unausweichliche Ende von allem ist, nimmt die Leichtigkeit aus allem Handeln, aber das ist in Ordnung.
Vielleicht hilft es auch dabei intensiver und tiefer zu leben, das was uns allen viel zu oft fehlt.

Inzwischen kann ich die Frage für mich beantworten:
Ja ich bin froh diese Gelegenheit zu haben an die Endlichkeit erinnert zu sein und dadurch die Möglichkeit zu haben, die letzte verbleibende Zeit mit meinem besten Freund so intensiv und bewusst wie möglich zu verleben.
Ein Gedanke der uns allen eigentlich kommen sollte und nicht nur wenn wir damit konfrontiert werden.

Heute fangen wir an eine Liste zu machen, mit all den Dingen die Joker so sehr liebte, die er so unendlich genossen hat und all die Dinge die es noch zu erleben gilt in der kurzen Zeit die uns noch bleibt.
Und ich habe mir vorgenommen jeden kostbaren Tag zu feiern als wäre es unser letzter und all die Dinge zu tun die wir uns immer wünschten, uns aber so oft die Zeit fehlte.

Es ist schon kurios, dass jetzt wo die Zeit so knapp ist, wir mehr Zeit für uns gewinnen – eine Erkenntnis die ich Jedem wünsche, denn unsere Zeit ist endlich.

In den nächsten Tagen die uns noch bleiben, werde ich meinem Freund all das geben was er mir geschenkt hat in unserer gemeinsamen Zeit.
Ich werde versuchen die Trauer vor der Zukunft, die ich alleine ohne ihn verbringen werde, zu verscheuchen in dem ich sie mit all der Freude und Leben fülle, die uns noch bleibt.

13 Kommentare

  • Perlenlyrik

    Hallo lieber Chris,
    ich denke es ist gut zu wissen. Dadurch legt man nochmal ein tieferes sich Bewusstsein füreinander an den Tag.
    Es leidet immer nur die Seele, die ohne die andere weiterleben „muß“.
    Am meisten schmerzen doch die Gefühle, die zwischeneinander unausgesprochen oder ungezeigt geblieben sind.
    Ach hätte ich ihm/ihr doch noch einmal sagen und zeigen können, wie lieb ich ihn/sie hab, sind die schlimmsten Schmerzen die das Herz zuschnüren.
    Ihr beide hattet nochmal das Geschenk bekommen, ganz intensiv voneinander Abschied zu nehmen und das gibt der Seele und dem Herzen Frieden.
    Dennoch, was bleibt ist eine schmerzliche Lücke, aber eine friedliche.
    Zurück bleiben die Erinnerungen und die Wertschätzung an eine wunderbare Zeit.

    Des Gefährten treues Herz
    schlägt ruhig und warm in seiner Brust.
    Achtsam hört er jedes Wort,
    versteht dich ganz Bewusst.

    Er braucht keines um zu reden
    aus seinen Augen er nur spricht,
    lehrt uns eine andere Sprache
    alt ist sie und voller Licht.

    In seinem Wesen, alte Seele,
    liegt dein ganzes Glück
    und das Innere, Kranke, Wunde,
    heilt sein ozeantiefer Blick.

    Gehts du die Symbiose ein
    im fühlenden Verstehen,
    gibt er Antworten auf Fragen
    und du lernst zu sehen.

    Glücklich der, dem das Leben
    einen Fellgefährten bescherte.
    Erinnert er dich an das kostbarste Gut,
    die menschlichen inneren Werte.

    P.Morninglight ©

    Alles liebe für dich!

    • chrisslombardi

      Jetzt musste ich erstmal schlucken – Deine Zeilen berühren tief und intensiv und drücken das aus was man fühlt.
      So viele Dinge die noch fehlen, die nicht getan, gesagt oder erlebt wurden. Doch was bleibt ist die Gewissheit einen ganz besonderen Fellgefährten an seiner Seite gehabt zu haben.
      Danke!

  • Christina

    Einen besseren Freund kann Joker sich nicht wünschen. So schwer es ist, den Abschied vor Augen zu haben – ich denke, ich könnte mit dem Bewußtsein des nahenden Todes besser umgehen als mit dem plötzlichen, unerwarteten Verlust, den ich bei meinen Katzen schon einigen Male erleben musste. Deinen Plan, Joker die letzte Zeit so schön wie irgend möglich zu machen, finde ich großartig! Wenn irgendwann die Schmerzen überhand nehmen, kann man seinem tierischen Freund wenigstens helfen, die Last abzuwerfen… Ein Schritt, der uns Menschen verwehrt bleibt.

    • chrisslombardi

      Liebe Christina, vielen Dank für Deine Worte und ja ich hoffe es dass ich stets für meinen Freund ein genau so guter Freund war und bin wie er mir.
      Im ersten Moment ist es wirklich schwierig damit umzugehen mit so einer Diagnose und man wünscht sich im ersten Augenblick nicht damit konfrontiert worden zu sein, doch wenn man sich besonnen hat ist es wirklich besser alles nochmal bewusst und intensiver zu erleben – alles zu geben und hinterher sagen zu können – wir haben alles in unserer Macht stehende getan um ihn das volle Leben nochmals zu ermöglichen mit allem Spaß den man sich wünschen kann.

      Was du ansprichst ist die fehlende Selbstbestimmung für Menschen in ähnlichen Situation auch frei entscheiden zu können. Ein unsäglicher Zustand und bereits zigfach im eigenen Familien- und Freundeskreis erlebt. Chemotherapie gibt es hunderte Studien bei denen die Erfolgsaussichten zwischen 1% bis 5% liegen. Dennoch wird diese Behandlung quasi als alternativlos vorgeschlagen und durchgeführt.
      Sicher wird sich ein Sterbender oft nach dem Strohhalm greifen wollen, selbst wenn die Prognosen bei 0,5% liegen sollten – trotzdem sollten m,an allen anderen die sich dagegen entscheiden eine selbstbestimmte Alternative bieten – doch daran fehlt es.

  • Follygirl

    Eine sehr schwere Zeit, eine traurige Zeit, aber die richtige Entscheidung!
    (Ich hab selber schon mehrere Hundert Male so eine Entscheidung treffen müssen, es ist nicht leicht, aber die Liebe sollte immer siegen, nicht die Eigenliebe.)
    Ich wünsche Euch noch gute Momente, den richtigen Zeitpunkt los zulassen und viel Kraft!
    LG, Petra

    • chrisslombardi

      Ja den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, das wünsche ich mir auch. Im Moment kämpfen wir mehr wegen der Schwäche und der derzeitigen Hitzewelle die gerade bei unserem Tierarzt reihenweise Opfer bei ohnehin schon geschwächten Patienten fordern.
      Wenn due schon so oft diese schwere Entscheidung treffen musstest, bist du bestimmt auch professionell mit Tieren verbunden. Tierarztpraxis oder Tierheim? Mich würde interessieren mehr zu erfahren.
      Wir haben uns nach den Vorfällen jetzt zur Aufgabe gemacht, auch anderen Tieren und Besitzern zu helfen.
      Was ich da allein in jüngster Zeit erlebt habe wie Menschen mit kranken Haustieren umgehen – ist unter aller Kanone. Eigenliebe und Eigeninteresse treiben so viele Tiere in unendliche Leidensgeschichten – aber auch andersrum wenn Tiere eingeschläfert werden sollen nur weil die Behandlung für Familie und Geldbeutel wohl zu kostspielig werden könnte – es ist ein Wahnsinn und echte Schande was da so passiert.

  • suzy

    Diese Situation habe ich auch schon erlebt. Ich weiß nicht was Schlimmer war, der Moment als der Tierarzt gesagt hat ihr Tier ist krank und Sie haben mit entsprechenden Schmerzmitteln noch etwas Zeit oder ihr Tier hat Schmerzen, ein sofortiges Einschläfern ist zu empfehlen.
    Es ist das Gefühl als ob jemand mit einer Latte Holz vor die Brust schlägt.
    Ich wünsche Euch noch eine schöne Zeit zusammen und hoffe, er hat nicht allzu viele Schmerzen.
    Liebt er Strandspaziergänge? Vielleicht noch ein paar Tage irgendwo an der Nordsee? Es soll ja jetzt sehr heiß werden…..
    Genießt die letzten Wochen und ich wünsche Dir viel Kraft für den letzten Schritt.

    • chrisslombardi

      Ja da hast du absolut recht – der Zeitpunkt an dem wir entscheiden jetzt ist es vorbei und dann zum Tierarzt zu fahren, davor ist mir schon jetzt Angst und Bange – darum verdränge ich diesen Gedanken vorerst so gut es geht.
      Und ja Joker liebt den Stand und das Meer. Im Moment schaffen wir aber keine weitere Reise. Die Strapazen der Krankheit und jetzt die Hitzewelle haben einfach zu viel Kraft gekostet die wir erstmal wieder aufbauen müssen. Aber bis dahin hilft der Gedanke erstmal an einen großen See zu fahren oder sein Privatpool den er schon immer wollte ist schon da.

  • westendstorie

    Wir kennen uns nicht und doch berühren deine Zeilen tief. Sehr tief und möcht ein wenig Mitgefühl, gute Gedanken, Trauer und die schönsten Tage für euch wünschen. Ich weiß um solche Erfahrungen. Sie sind jetzt wieder ganz nah…Die Liste ist eine wunderbare Liste.

      • westendstorie

        Auf meiner Liste stände das Meer. Es stände ganz oben. Als ich das erste Mal mit der kleinen da war und sie noch nichts ahnend völig unbeteiligt mit mir die Dünentreppe hoch lief, oben stehen blieb und auf einmal Richtung Watt los preschte….es war einfach nur wunderbar.
        Und Fährtensuchen im Wald
        Und die liebsten Orte besuchen. Hunde Freunde treffen.
        Knochen kochen.

        Ach man..jetzt wirds wieder schwer ums Herz.

        Einfach ganz viel glücklich sein, so viel wie möglich…

        Das wäre meine Liste..

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